Sozialen Abstieg selber machen (Selbstexperiment zum kreativen Abstieg)
Selbstexperimente sind schick, spannend, provokativ, anregend für das nächste literarische Quartett, bestens geeignet, die Zugriffszahlen auf den Blog zu vervielfachen bzw. sogar den Sprung ins TV zu schaffen!
Dies geschieht immer wieder: Mal als Graf ein paar Nächte unter der Brücke verbringen. Herrlich. Mal als freiberuflicher Head-of-Strategy ein paar Wochen von einem Harz-4-entsprechenden-Geldbetrag leben.
Mal nichts konsumieren bzw. wenigstens nichts zu kaufen. Mal die Dolce&Gabbana-Hose auf einem Tauschbasar eintauschen und über lustige Ergebnisse berichten. Wie niedlich die anderen Obdachlosen, Harzies und Ökos so sind. Oder einfach mal offline sein für einen Monat. Schön putzig und interessant für die ganze Web2.0-Community, die so hart auf Facebook und Twitter ackert.
Ach, herrlich, diese Sozialromantik. Aber anschließend bitte schnell zurück in die Salons, auf die Re-Publica, und schwärmen, schwärmen, schwärmen, auch auf die Risiken hinweisen und so, klar, man ist sich seiner (medialen) Verantwortung bewusst. Doch was folgt danach?
Der Kurs „Sozialen Abstieg selber machen, Selbstexperiment für Fortgeschrittende“:
a) kündigt Euren Job und sagt der Chefin/ dem Chef, dass sie/er ein Riesen-Arschloch ist (damit ein Zurück in den alten Job auch wirklich unmöglich ist)
b) sagt Eurer Lebenspartnerin/eurem Lebenspartner, die/den Ihr abgöttisch liebt, dass Ihr sie/ihn nie geliebt habt und dass er/sie Euch den Buckel runterrutschen könnt.
c) sagt all`Euren Freunden, dass sie Euch anwidern und dass Ihr nie wieder etwas mit ihnen zu tun haben wollt
d) schickt Eure Eltern, Geschwister, nahe und entfernte Verwandte zur Hölle: „Ihr könnt mich alle mal und Ihr kotzt mich an!“
e) beginnt Euren Tag mit Jägermeister o. ä. Am Anfang wird´s schwer, nachher aber immer leichter
f) kündigt Eure Wohnung und sagt dem Vermieter, dass er stinkt und saublöd aussieht un dass Euch seine Famile leid tut
g) sagt allen Sozialarbeitern, die so langsam auf Euch zukommen, dass sie Riesen-Schweine sind
h) sagt Eurer Arbeitsvermittlerin gar nichts, denn Ihr geht einfach nicht zu den Terminen
i) fahrt schwarz mit der Bahn und sagt den Kontrolleuren, dass sie euch mal kreuzweise können
j) bezahlt keine Rechnungen und Mahnungen
k) brecht Euch das Schienbein, damit Ihr nicht so verdammt jung und dynamisch daher kommt
l bis z) werdet selbst kreativ, was man noch so alles zum kreativen Abstieg machen könnte…
So, um so glaubhafter Ihr wart, desto interessanter wird der Selbstversuch: Jetzt heisst es, dass Beste daraus zu machen und keiner, aber wirklich keiner, kann mehr sagen, Ihr seid nicht authentisch. Und darauf kommt es doch an, oder?
Bittte, bitte nicht wirklich umsetzen. Für denjenigen, der es immer noch nicht gecheckt hat: Es handelt sich hier lediglich um SATIRE!
Versucht erstmal aufs Auto zu verzichten, indem Ihr Taxi fahrt; das Leben als Wohnungslosen zu zelebrieren, indem Ihr ins Hotel einzieht und nichts mehr zu kaufen, indem Ihr den Kühlschrank von Mutti lehrmacht. Auch das ist übrigens SATIRE.
Soviel zu Selbstversuchen von meiner Seite. Aber wer weiss, vielleicht fällt mir ja noch ein wirklich interessanter Selbstversuch ein. Hoffen wir das Beste.
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