Die Nachhaltigkeits-Guerilla zieht sich aus … (Teil 1: Aller Anfang ist schwer)

Credit: SV-Bilderdienst / Hesterberg T. - Mitglieder der Kommune 1) via http://brainwash.webguerillas.de/)

Foto: SV-Bilderdienst / Hesterberg T. _ via http://brainwash.webguerillas.de/)

… natürlich zunächst erstmal rein rhetorisch. Wir haben uns nämlich entschlossen eine kleine imaginäre Reise zu den Wesen eines Nachaltigkeits-Guerilleros anzutreten. Wir wollen unser Innerstes nach Außen stülpen und unser Selbstverständnis einer NACHHALTIGKEITSs–GUERILLA in der nächsten Zeit offen legen. Dabei werden wir verschiedene Stationen ansteuern und uns daraus das Sinn- und Wertvollste rauspicken. Wir sind nämlich weder besonders „schick“ noch „virtuell“.

In unserer UNchronologischen Reise werden wir den einen oder anderen Prinzipien der Guerilla huldigen, andere aber auch abgrundtief verspotten und mit Sand bespucken. Was bleibt von dem Ur-Guerilla-Gedanken über, WENN Ursprungsmythen & Legenden, Glaubenssätze und die Bereitschaft für das übergeordnete Prinzip zu sterben AUF einen Pseudo-Coolness-Kampf in westlichen, gut situierten Gesellschaften übertragen wird? Stichwort: Guerilla-Marketing – „Ick opfer mir jewaltig, ja – ick’ mein meine zeit – um ordentlich kohle zu scheffeln. Machen ma bisschen ramba-zamba uff der Straße!“ na? Wir werden dies und einiges mehr in den nächsten Folgen herausfinden.

Ahoi liebe Leute, schnallt euch nicht an, aber haltet euch an eurer Maus fest.

Nachhaltigkeitstag [Nr. 1] – Ein Tag zum Eierschaukeln?

Tja leider wurde es uns verwehrt, live vom Deutschen Nachhaltigkeitstag bloggen. Dabei stand das Event im MARITIM Hotel am Düsseldorfer Flughafen ganz im Zeichen einer professionellen Interpretation von Nachhaltigkeit. Die Besetzung des fast 9-stündigen Symposiums war hochkarätig bis prominent, neben Klaus Töpfer, Günter Verheugen und Markenpapst Heribert Meffert, war auch die Sängerin Annie Lennox mit von der Partie. Gab es eigentlich nachhaltiges Catering? Das Credo offenbarte sich schon in den ersten Minuten: Man ist modern, man ist elitär und findet Nachhaltigkeit IRGENDWIE wichtig.

Eierschaukeln - collage by |n-guerilla|

von l. nach r.: Hambrecht (BASF-Chef), Verheugen (EU-Industriekommissar), Machnig(BMU Staatssekretär), Winterkorn (VW-Chef) — collage by |n-guerilla|


Das nüchterne Wort Nachhaltigkeit sorgt natürlich immer wieder für Zündstoff, oder wie Dr. Volker Hauff, Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung, treffend formulierte: „Nachhaltigkeit ist und bleibt ein Konfliktbegriff“. Wenn man sich die Preisträger und Sponsoren des Nachhaltigkeitspreises anschaut, dann offenbart sich uns ganz imposant dieses Konfliktpotential: MC-Café schenkt Kaffee & Kuchen aus, Volkswagen bietet einen fetten Shuttleservice an und stellt noch nebenbei die schönsten Modelle im Foyer aus. Aber war VW nicht auch Träger des Nachhaltigkeitspreises? HUPS, da müssen die Organisatoren doch was übersehen haben.

Nahtlos reihen sich auch andere Preisträger in das Nachhaltigkeitsparadoxon ein: Neben VW gehören BASF, BSH Bosch & Siemens und Henkel zu den nachhaltigsten Unternehmen bzw. Marken Deutschlands. Tief durchatmen … das ist durchaus kein Pappenstiel, was uns da am Freitag präsentiert wurde. Ähnlich sah es auch Jurymitglied Angelika Zahrnt und distanzierte sich im Vorfeld von der Auswahl der Preisträger.

Es gab durchaus kontroverse Diskussionen in der Jury des Deutschen Nachhaltigkeitspreises. Letztendlich hat sich jedoch, so Jurymitglied Dr. Axel Zweck, ein ausgewogener Bewertungsmaßstab durchgesetzt, der alle Säulen gleichzeitig betrachtet und manche „kleine“ Widersprüche, wie z.B. die Pestizid- und Weichmacherproduktion bei BASF erstmal ausblendet. Denn wir brauchen, seiner Meinung nach, große „Nachhaltigkeitshebel“ in unserer Gesellschaft.

– Gut gedacht, schlecht gemacht. – Denn wenn man ausblendet, dass ein sog. Nachhaltigkeitshebel wie BASF den Klimawandel in Frage stellt, die Umsetzung der EU-Chemieverordnung REACH massiv behindert hat und sich bei Menschenrechtsfragen auf die Seite von China stellt, dann kann eine solche Prämierung schon großen Ärger auslösen. Da hilft es nichts, wenn laut Jury-Begründung BASF „in allen Wertschöpfungsstufen […] Nachhaltigkeitsaspekte integriert wurden“ … oder laut Unternehmensangaben jede produzierte Tonne CO2 irgendwann mal 3 Tonnen einspart.

Fängt Nachhaltigkeit etwa nicht in der gelebten Unternehmenskultur an? Dann sollte man doch lieber nur eine Maßnahme auszeichnen und nicht das ganze Unternehmen. Solche Preisträger überschatten leider die positiven Beispiele wie Solarworld, Steinbeis Papier, Hess-Natur, tegut.

Eins muss man jedoch den Jury-Entscheidungen lassen: Sie sorgten für Zündstoff, der sicherlich für mehr Feuer in der öffentlichen Nachhaltigkeitsdebatte sorgt, als wenn ausschließlich die üblichen Verdächtigen wie Weleda und Co. die Preise abgegriffen hätten. Somit gräbt sich das große Thema Nachhaltigkeit wieder ein Stückchen tiefer in das öffentliche Bewusstsein. UND ganz wichtig: Nachhaltigkeit wird verstärkt als großer Wettbewerbsvorteil in der Wirtschaftswelt wahrgenommen, denn mit diesem spärlichen Begriff lässt sich heutzutage schon ordentlich Geld verdienen. … das ehrliche Wettrüsten solle nun bitte beginnen!

Allerdings pokern die Initiatoren mit solch einer Zielsetzung sehr hoch, denn sie setzen ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Denn was soll es bringen, wenn sich jedes Jahr einige „Entscheider“ in schwarzer Einheitstracht sich gegenseitig die Eier schaukeln? Ist das etwa ALLES nur leeres Trend-Gewäsch?

Weitere Berichte über den Nachhaltigkeitstag und -preis:

Bikinis, Atombomben und Naturschutz

Also Leute ja, eins ist ja mal Fakt: Atombomben können einen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten. Und das Beste: Es hat auch etwas mit explodierender, praller Lust zu tun – Bikinis.

B... is the new green! [collage by n-guerilla]

B... is the new green! |collage by n-guerilla|

Diese spektakuläre Erkenntnis können wir den militärischen Gutmenschen der USA verdanken. Vor fast genau 50 Jahren wurde die letzte Atombombe im Bikini-Atoll gezündet. Mittlerweile hat sich das Atoll im Pazifischen Ozean wieder zu einem Südsee-Paradies entwickelt – zumindestens für Tauch-Touristen. Die Unterwasserwelt konnte sich nämlich derweilen erholen und ungestört entwickeln. Denn wer will schon aus Atombrühe Fischsuppe kochen? So schießen auch die potenzwildernden Haifischflossen-Jäger ihre Harpunen lieber in anderen Gebieten in die blutigen Fluten.

Super – mit nur 23 Atombomben kann ein einzigartiges Naturreservat geschaffen werden! Nicht schlecht, oder? Und da haben wir doch alle was von, da können sich die Meeresbewohner zurückziehen und paaren. Mmh? Dafür wurden damals nur 196 Menschen von Bikini umgesiedelt. Gut es starben ein paar 1000 an Krebs und die Pflanzen sind bis heute noch verseucht, doch dafür kann man schon heute dort wieder beruhigt durchatmen und im Wasser planschen (Der Urlaubs-Geheimtip!). Und wenn es diese gigantische Gutmenschen-Tat nicht gegeben hätte, dann würden die Bikinis heute sicherlich nur „strandfester Busenhalter“ heißen … denn diese fantastischen Stoffitzel wurde benannt nach dem ersten Atombombentest der Nachkriegszeit 1946 im Bikini-AtollOh, wie trist wäre doch die Welt ohne knackige Begriffe für pralle Fantasien.

The Castaways habens 1965 schon ganz eindeutig gesacht: LÜGENMAUL, LÜGENMAUL … hier bei einem Auftritt in der BIKINI-World – Na dann lass knacken … yeah


The Castaways – Liar Liar im Film „It’s a Bikini World“

Es gibt übrigens eine schöne Doku zum Thema – namens Bikini-Atoll – Trauminseln im Sperrgebiet … die diese Skurillitäten offenbart (in der ZDF Mediathek zu finden).

LINKS

  1. http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,422090,00.html
  2. http://www.bikiniatoll.com
  3. http://www.zdf.de/ZDFmediathek/content/Bikini_-_Trauminseln_im_Sperrgebiet/332/608868
  4. http://de.wikipedia.org/wiki/Bikini-Atoll
  5. http://www.spiegel.de/panorama/0,1518,422090,00.html

LOHAS: zwischen Schimpf und Übermut

TOLL – die Zeit der heftigsten Überglorifizierung einer weltverbessernden „Superzielgruppe LOHAS“, wie sie noch vor 1 ½ Jahren von einigen Trendforschern beschrieben wurde, scheint vorbei zu sein … oder?

Übermut vs. Schimpf

Übermut vs. Schimpf |collage by n-guerilla|

Während viele Unternehmen, Agenturen und Medien unreflektiert auf den Hype aufspringen (wollen), gibt es in den virtuellen Welten die – eine oder andere – Diskussion über den wahren Gehalt und Kern der LOHAS. Dabei treffen meist 2 Fronten frontal aufeinander: die übereuphorischen „Weltretterfanatiker“ und die zweifelnden Ich bin Es gibt keine Zielgruppe“-Weicheier … neuerdings wurde die Diskussion mal wieder angestoßen durch eine neue Studie von stratum, die doch eigentlich keine so spektakulären Ergebnisse präsentiert (klick Video).

Eine kleine Auswahl:

  • sie sind konservativ und unpolitisch – das mag für ein Teil zu treffen, kann aber definitiv nicht verallgemeinert werden
  • ichbezogen, naturromantisch, ästhetisch und harmoniebetont – gut das wussten wir schon vorher, obwohl diese Eigenschaften sehr weit dehnbar sind
  • sie stehen nicht auf Heucheleien und Green-Washing – mmh wer steht denn überhaupt darauf?
  • professionelle Werbung ist wichtiger als das Produkt – okay diese Behauptung ist wagemutig, bietet jedoch soviel Angriffsfläche, dass sie sich nicht halten lässt

Um was geht es denn eigentlich hier? Es sollte nicht darum gehen die heterogene Zielgruppe der LOHAS immer wieder NEU und ERSTMALIG zu beschreiben, wie es seit Monaten durch verschiedene Studien und Herangehensweisen geschieht.

FAKT IST: Es gibt eine wachsende Nachhaltigkeitsorientierung in unserer Gesellschaft. PUNKT. Diese Entwicklung und die damit verbundenen Erwartung kann man nicht allein auf EINE vermeintliche Konsumentengruppe übertragen und anschließend enttäuscht sein, wenn zig unterschiedlichste Ergebnisse herauskommen. PUNKT. Es bedarf einer sehr viel umfassenderen Analyse und Differenzierung von (potentiell-) nachhaltigen Zielgruppen, als die Versuche eine heterogene Zielgruppe eindeutig zu beschreiben. Denn die LOHAS und deren Werte repräsentieren nur einen Teil einer viel größeren nachhaltigen Bewegung.

Nichtsdestotrotz haben die LOHAS eine Funktion. Diese schwammige, auslegbare Begrifflichkeit kann uns helfen einen Pfad der Nachhaltigkeit zu beschreiten. SOWOHL für diejenigen, die sich daran reiben und den starken Konsumbezug verabscheuen, ALS AUCH für diejenigen, die auf den Konsumglamour stehen und LOHAS als Mainstream-Initiatoren und Role-Models akzeptieren. Die LOHAS übernehmen deshalb eine wichtige Leitfunktion: Sie regen einen nachhaltigen Lebensstil an. Egal ob sie als Bionade-Spiesser oder Weltverbesserer gesehen werden.

Vielleicht lässt sich ja über die neu aufgeflammte VERFRONTUNG ein gemeinsamer „Weg der Mitte“ finden? – und da wären wir wieder bei harmoniebetonten und spirituellen Ansätzen.