Nachhaltigkeitstag [Nr. 1] – Ein Tag zum Eierschaukeln?

Tja leider wurde es uns verwehrt, live vom Deutschen Nachhaltigkeitstag bloggen. Dabei stand das Event im MARITIM Hotel am Düsseldorfer Flughafen ganz im Zeichen einer professionellen Interpretation von Nachhaltigkeit. Die Besetzung des fast 9-stündigen Symposiums war hochkarätig bis prominent, neben Klaus Töpfer, Günter Verheugen und Markenpapst Heribert Meffert, war auch die Sängerin Annie Lennox mit von der Partie. Gab es eigentlich nachhaltiges Catering? Das Credo offenbarte sich schon in den ersten Minuten: Man ist modern, man ist elitär und findet Nachhaltigkeit IRGENDWIE wichtig.

Eierschaukeln - collage by |n-guerilla|

von l. nach r.: Hambrecht (BASF-Chef), Verheugen (EU-Industriekommissar), Machnig(BMU Staatssekretär), Winterkorn (VW-Chef) — collage by |n-guerilla|


Das nüchterne Wort Nachhaltigkeit sorgt natürlich immer wieder für Zündstoff, oder wie Dr. Volker Hauff, Vorsitzender des Rates für Nachhaltige Entwicklung, treffend formulierte: „Nachhaltigkeit ist und bleibt ein Konfliktbegriff“. Wenn man sich die Preisträger und Sponsoren des Nachhaltigkeitspreises anschaut, dann offenbart sich uns ganz imposant dieses Konfliktpotential: MC-Café schenkt Kaffee & Kuchen aus, Volkswagen bietet einen fetten Shuttleservice an und stellt noch nebenbei die schönsten Modelle im Foyer aus. Aber war VW nicht auch Träger des Nachhaltigkeitspreises? HUPS, da müssen die Organisatoren doch was übersehen haben.

Nahtlos reihen sich auch andere Preisträger in das Nachhaltigkeitsparadoxon ein: Neben VW gehören BASF, BSH Bosch & Siemens und Henkel zu den nachhaltigsten Unternehmen bzw. Marken Deutschlands. Tief durchatmen … das ist durchaus kein Pappenstiel, was uns da am Freitag präsentiert wurde. Ähnlich sah es auch Jurymitglied Angelika Zahrnt und distanzierte sich im Vorfeld von der Auswahl der Preisträger.

Es gab durchaus kontroverse Diskussionen in der Jury des Deutschen Nachhaltigkeitspreises. Letztendlich hat sich jedoch, so Jurymitglied Dr. Axel Zweck, ein ausgewogener Bewertungsmaßstab durchgesetzt, der alle Säulen gleichzeitig betrachtet und manche „kleine“ Widersprüche, wie z.B. die Pestizid- und Weichmacherproduktion bei BASF erstmal ausblendet. Denn wir brauchen, seiner Meinung nach, große „Nachhaltigkeitshebel“ in unserer Gesellschaft.

– Gut gedacht, schlecht gemacht. – Denn wenn man ausblendet, dass ein sog. Nachhaltigkeitshebel wie BASF den Klimawandel in Frage stellt, die Umsetzung der EU-Chemieverordnung REACH massiv behindert hat und sich bei Menschenrechtsfragen auf die Seite von China stellt, dann kann eine solche Prämierung schon großen Ärger auslösen. Da hilft es nichts, wenn laut Jury-Begründung BASF „in allen Wertschöpfungsstufen […] Nachhaltigkeitsaspekte integriert wurden“ … oder laut Unternehmensangaben jede produzierte Tonne CO2 irgendwann mal 3 Tonnen einspart.

Fängt Nachhaltigkeit etwa nicht in der gelebten Unternehmenskultur an? Dann sollte man doch lieber nur eine Maßnahme auszeichnen und nicht das ganze Unternehmen. Solche Preisträger überschatten leider die positiven Beispiele wie Solarworld, Steinbeis Papier, Hess-Natur, tegut.

Eins muss man jedoch den Jury-Entscheidungen lassen: Sie sorgten für Zündstoff, der sicherlich für mehr Feuer in der öffentlichen Nachhaltigkeitsdebatte sorgt, als wenn ausschließlich die üblichen Verdächtigen wie Weleda und Co. die Preise abgegriffen hätten. Somit gräbt sich das große Thema Nachhaltigkeit wieder ein Stückchen tiefer in das öffentliche Bewusstsein. UND ganz wichtig: Nachhaltigkeit wird verstärkt als großer Wettbewerbsvorteil in der Wirtschaftswelt wahrgenommen, denn mit diesem spärlichen Begriff lässt sich heutzutage schon ordentlich Geld verdienen. … das ehrliche Wettrüsten solle nun bitte beginnen!

Allerdings pokern die Initiatoren mit solch einer Zielsetzung sehr hoch, denn sie setzen ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel. Denn was soll es bringen, wenn sich jedes Jahr einige „Entscheider“ in schwarzer Einheitstracht sich gegenseitig die Eier schaukeln? Ist das etwa ALLES nur leeres Trend-Gewäsch?

Weitere Berichte über den Nachhaltigkeitstag und -preis:

11 Antworten auf “Nachhaltigkeitstag [Nr. 1] – Ein Tag zum Eierschaukeln?”

  1. Wie wäre es, den sich selbst beweihräuchernden Green-Washern eine Rote Karte zu schicken?
    Entweder virtuell (wenig Energie und fast kostenfrei, aber mit einem Mausklick von den Betroffenen leicht zu ignorieren) oder real (Postkarte oder im Umschlag), deutlich schwerer wegzuklicken ;-), aber dafür mit (wegzuwerfendem) Material und Versandkosten belastet :´(

    Das wäre doch was für BUND oder Greenpeace…

  2. hallo Michael ….

    rote Karte _ Betreff: Nachhaltigkeit.
    ich denk mal dann wird die rote Karte nur der Nachhaltigkeitsabteilung zu geschoben … ich will ja nicht unterstellen, dass die Leute darin sich nicht bemühen. Dort sitzen ja „meistens“ die Kämpfer für Nachhaltigkeit in solchen Konzernen … die können ja nur versuchen das schiff langsam in die richtung zu bewegen, was ein Kampf gegen Windmühlen entspricht …

    Im Endeffekt kommen leider nur die geringstmöglichsten Bemühungen, kommunikativ gut verpackt, als große, herbeigeredete Veränderungen hinten raus. Wenn dann der Vorstand noch in diverse Fettnäpfchen tritt und hinterweltlerische Ansichten kund tut, na dann prost mahlzeit … da hilft nicht mal mehr ein Klaps auf dem Hinterkopf, sondern da müssen frische Leute rein … den Mief erstmal rauslassen, klare Visionen für die Zukunft entwickeln und die dann sofort anpacken … klar das dauert jahre, aber jetzt so zu tun, als wenn alles tutti wäre … tja

  3. Kennt Ihr schon den neuen Bürgerpreis
    DIE GRÜNE TOMATE – ausgezeichnet unreif
    ??

    Der web.2.0-Community-Preis soll mehr öffentliches Bewusstsein für Grünfärberei schaffen und keineswegs nur anprangern, sondern – ausgestattet mit einer „Pflegeanleitung“ – den Ausgezeichneten auch auf die Sprünge helfen, am Ende doch für positive Veränderungen im Sinne einer nachhaltigeren Gesellschaft zu wirken.

    Die November TOMATE geht an RWE für das irreführende Angebot „Pro-Klima-Strom“. Dieser Klimatarif enthält im Gegensatz zu echten Ökostromangeboten vor allem Atomstrom.

    Der Nominierungsreigen für DEZEMBER ist eröffnet: Bis zum
    18. Dezember können in diesem Thread Kandidaten nominiert werden. Bis zum 31. Dezember 2008 könnt Ihr Euren Favoriten wählen, dazu wird es dann einen neuen Thread geben. Wir werden den Gewinner im neuen Jahr, am 2. Januar kommunizieren.

    Für alle Neueinsteiger: Den Hintergrund zu unserem neuen Bürger- und Verbraucherpreis gibt es hier:

    http://www.utopia.de/forum/showthread.php?t=2393

    Auch bereits in den Vormonaten Nominierte dürfen gern wieder NEU nominiert werden. Los gehts!
    Einfach bei utopia.de anmelden und die Greenwasher nominieren unter:
    http://www.utopia.de/forum/showthread.php?t=3553

    Viele Grüße
    Christina

  4. hey christina …

    danke … die grüne Tomate hat Maik schon mal kurz im September vorgestellt.

    http://www.nachhaltigkeits-guerilla.de/?s=gr%C3%BCne+tomate

    lg marcel

  5. Nee, ich will mich ja nicht mit fremden Lorbeeren schmücken, das war damals die unglaubliche Anna…! best wishes, Maik

  6. Marcel, du verweist am Ende auf einen Bericht des WWF. Das ist aber offensichtlich kein Blog des WWFs, und der von dir verlinkte Blogbeitrag enthält eine Pressemitteilung des BUND.

  7. Danke für den Hinweis, lieber Jan Michael. Das war natürlich, wie Du Dir denken kannst, ein Test. Toll, dass jemand aufmerksam liest!

    Wenn ich den Fehlerteufel erwische…. dem brat ich eins über!

    Bis denn, Maik

  8. Schon erstaunlich, wer sich so alles hinter dem Nachhaltigkeitspreis-Orgateam verbirgt;-(

    Geht da wirklich alles nachhaltig zu? Nachhaltig im Sinne, dass von der bestehenden Welle nicht abgewichen wird, sicher das könnte sein.

    Welche weiteren nachhaltigen (im eigentlichen Sinne) Wettbewerbe gibt es noch in der Republik, Europa und der Welt?

    Neugierig, denn das Thema wird jeden Tag wichtiger und wir haben alle selbst das Ruder in der Hand (und können es auch umlegen;-)).

  9. […] Wenn Du das alles gecheckt hast, haste meines Erachtens mehr gecheckt, als so manche Nachhaltigkeits-Initiative. […]

  10. @Ralf Der http://www.successforfuture.de/ Award ging gerade an den Start und hat wieder einen reizenden Sponsor gefunden: EnBW. Muss man wohl nix dazu sagen.

    Gute Beitrag zum Nachhaltigkeitspreis auch von Micha Wenzl: http://michaelwenzl.de/zitronenfalter/

    Achja und dann noch die Einladung an alle Nachhaltigkeitsblogger während der Biofach: http://nhblog.de/bloggertreffen2011/ . Da wären die Nachhaltigkeitspreise wohl auch eine Diskussion wert.

  11. […] auch für die “gute Sache” und sind dabei ungleich lustiger, was der Bericht zum Nachhaltigkeitstag zeigt. Aber vor allem? reale Aktionen bzw. deren mediale Unterstützung sind das Ziel des […]

Deine Meinung ist gefragt.