Der 20. März ist Kackstadtinterventionstag

Ein Blick in den Kalender verrät es. Heute ist Frühlingsanfang. Zeit für Frühlingsgefühle und FRÜHJAHRSPUTZ! Doch momentmal, ich habe ja gar keinen funktionsfähigen Staubsauger! Schnell die Stiefel übergezogen und auf zum Kackstadt am Hermannplatz.

Den Weg dahin versüße ich mir mit einem Schaufensterbummel. In der Auslage vom Buchhandel in der Hobrechtstraße liegt ein interessantes Buch: „Glossar der Interventionen“. Wow, denke ich mir, das schaue ich mir mal näher an. Ich gehe in den Laden, blättere im besagten Buch und muss kichern: Es gibt unendliche viele verschiedene Formen der Invervention. Und jede Branche definiert sie anders. Versicherungsagenturen, das Militär, Coaches und Aktivisten…

Vor ein paar Jahren, als ich noch den Master in Community Development in München anstrebte, hatte ich vor, über „Interventionen im öffentlichen Raum“ eine Arbeit zu schreiben. Hatte ich dann aber gelassen.

Kurz krame ich in der Brieftasche und überlege, die knapp 20 Euro für das Buch auszugeben. Doch dann fällt mir wieder ein, wofür ich eigentlich losgegangen bin. Ich brauchte ja einen Staubsauger. Ich verlasse den Buchhandel und gehe meinen Weg zum Kackstadt weiter.

Ein Blick auf die Straßen gibt mir recht: Heute ist definitiv nicht Frühlingsanfang, heute ist Kackstadtinterventionstag.

Null Euro Weihnachten!

<<WeihnachtsWinterWichtelWahnsinn>>

Alle Jahre wieder und dennoch immer wieder unfassbar. Letztens verkündete das Radio die frohe Botschaft: der Einzelhandel atmet auf, die Umsatzzahlen klettern rauf! Endlich strömen die Konsumenten wieder in die Neuzeit-Tempel, um sich mit neuen Winterjacken, warmen Klamotten, Weihnachtsdeko, -gebäck und –geschenken einzudecken. Klimawandel hin oder her, letztere Konsumfallen sind der Fels in der Wirtschaftsbrandung, denn nichts ist in diesen Zeiten so gewiss, wie dass Weihnachten kommt! Deshalb erleben wir jedes Jahr aufs neue eine logistische Punktlandung, wenn uns bereits ab Ende November quietschrote Dekoartikel und Lebkuchen in den Regalen anlächeln.

cc by jasmin

Doch sollte nicht auch hier mal das Stichwort “Nachhaltigkeit” fallen? Worin liegt der Sinn, jedes Jahr aufs neue Christbaumschmuck, Adventslichterketten und Wintermützen zu kaufen? Früher hatte man seine Winterkiste, die genau einmal pro Jahr aus dem Dachboden geholt, entstaubt und wiederbelebt wurde. Heute scheint diese Tradition nicht mehr zu existieren, traut man den hiesigen Warenbergen in den Läden.

Noch schlimmer wird das Ausmaß, wenn man sich Wichtelabende anschaut. Maximaleinsatz: 5€. Heraus kommt eine Ansammlung unnützester Spaßartikel, wie Rudolf-Mützen, Gelkerzen, singende Weihnachtsmannfiguren oder ulkige Nippes-Engel. Für 30 Minuten lachen sich die Beschenkten beim Wichtel gegenseitig aus, wer hat das unnützere, wer das amüsantere Geschenk? Traurig, dass man zusammengerechnet sicherlich über 100 Euro für Dinge ausgegeben hat, die direkt oder auf Umwegen wieder im Müll landen werden. Aber das ist ja nicht weiter schlimm, denn Wegwerfen ist mittlerweile unser Volkssport. Mit einer unglaublichen Geschwindigkeit schaffen wir es tagtäglich riesige Mengen Müll zu produzieren und diesen dann auch effizient aus unseren Augen zu transportieren. Wo genau der Müll dann landet und wie lange er noch existieren wird, bevor er wieder in die Bestandteile zerfällt, aus denen er gewonnen wurde, das können wir kaum mehr abschätzen. Hier haben wir es mit einer sauberen Angelegenheit zu tun, denn paradoxerweise machen wir uns mit Müll keine schmutzigen Hände. Das Abfallsystem ist so ausgeklügelt, dass wir in einer fast desinfizierten, hygienisierten Welt leben. Aber warum ist das so unerfreulich? Immerhin steigt der Lebensstandard, na klar. Schlimm ist es nur, weil es aus den Augen, aus dem Sinn ist und uns dadurch das Bewusstsein dafür nimmt, was für Unmengen an Produkten wir hinter uns lassen. Und das wiederum führt ganz im Sinne der Industrie dazu, dass wir fröhlich weiter konsumieren. Fortschritt bedeutet schließlich produzieren und damit einhergehend auch konsumieren. Wer dem entkommen will muss verzichten…?

Wie wäre es denn, wenn wir zu Weihnachten mit Re- und Upcycling anfangen? Dafür gibt es genügend gute Gründe und ein Wichtelabend mit 0€ Produkten kann viel amüsanter, kreativer und gemeinschaftlicher sein, wenn wir statt einer Kerze, eine Zeichnung, ein Kuscheltier aus alten Socken oder eine kleine Gesangseinlage erhalten. Diese Idee verfolgt auch die Plattform Zeit statt Zeug: www.zeit-statt-zeug.de bei der man ready-made Ideen und Gutscheine für Kochabende statt Kochbücher, für Strickstunden statt H&M-Schals oder auch Reparierhilfe statt neuem Fahrrad erhält. Aber das geht doch noch besser!

Deshalb ruft Nachhaltigkeitsguerilla alle Guerilleros zu einem Weihnachtsboykott auf: das Null-Euro-Weihnachten.

Wer von euch schafft es, Weihnachten für 0€ zu verbringen (oder zumindest annähernd 0€) und dennoch seinen Freunden & der Familie erfreuliches zu bereiten? Postet oder schickt uns gerne eure Recycling- oder Gratis-Geschenkideen!

Einzig Oscar aus der Tonne könnte das Ganze nicht in den Kram passen. Aber der kann dieses Jahr vielleicht auch mal leer ausgehen..

Du bist Pappwand

Wieviel Privatspäre darf man eigentlich erwarten? Google Streetview zeigt sie: Die Eckensteher und Straßenspazierer. Sie telefonieren. Sie laufen, gehen, fahren Rad, trinken, reden, lachen, weinen, sitzen, stehen oder drehen uns den Rücken zu. Google sieht alles und stellt es online: auf Google-Streetview.

Und nun gibts es diese Steher, Geher, Fahrradfahrer, Trinker, Redner, Lacher, Weiner, Sitzer und Rückenzudreher auch als Pappwand.

Genau die Bilder, die bei Google-View online sind, genau diese Bilder und Personen sind es, die jetzt an genau den Ecken und Wänden angebracht sind, an denen die Aufnahmen gemacht wurden.

Hier ein Beispiel aus Berlin, Tatort Weserstraße:

So siehts auf Google-Streetview aus…

…und hier die entsprechende Pappwand:

Diese Kunstaktion zeigt uns mal, was wir eigentlich bzgl. unserer Privatsphäre zulassen. Habt Ihr Euch schon an irgendeiner Wand entdeckt? Haltet die Augen offen!

Viel Lärm um nichts?

Spiegel Online

Eröffnung des BMW Guggenheim Labs in Berlin (Quelle: Spiegel Online)

Am Freitag eröffnete in Berlin das lang umstrittene BMW Guggenheim Lab. Wie bereits umfassend berichtet (u.a. in der Berliner Morgenpost), entschied sich das Lab nach Protesten in Kreuzberg für den Prenzlauer Berg als Standort. Die Eröffnung letzten Freitag, den 15. Juni am Pfefferberg hatte aber weniger Pfeffer als erwartet. Neben einer kleinen Demonstration, gab es vier Vorträge des Berliner Lab Teams zu sehen. Die dritte, wackelige Rede von Corinne Rose steckte scheinbar an: ein Besucher stand plötzlich ebenfalls auf wackeligen Beinen und klappte während ihrer Rede einfach rücklings um.

Schwarz vor Augen – eine weitläufige Reaktion? Schwarz habe ich zwar nicht gesehen, aber mein Puls schoss bei dieser Veranstaltung zugegebenermaßen auch nicht wirklich in die Höhe. Die Projekte sind eine Kombination aus soliden, aber wenig revolutionär anmutenden Ansätzen, wie der Fahrrad-Highway von Rachel Smith. Smith sprach darüber, dass sie in Australien aufgrund ihres Projektes für „absolutely crazy“ gehalten wurde. Nunja, ein Fahrrad-Highway… Diese Idee wurde schon öfters in meinem Umkreis diskutiert und man stimmte dem eher begeistert zu, als dass man uns für verrückt erklärte. Die Innovationskraft dieses Projektes, die sie vielleicht in New York oder Brisbane haben kann, scheint in einer europäischen und grünen Stadt wie Berlin etwas an Kraft zu verlieren (dass das Projekt dennoch in die richtige Richtung geht, möchte ich aber nicht bestreiten).

Gepaart mit ein paar Do-it-yourself-Workshops im Anschluss erschien das Gesamtbild der Veranstaltung jedoch eher zahm. An einem Stand von Etsy konnte man Weben, an einem anderen wurde unsere kreative Energie in selbstgenähte Handytaschen & Portemonnaies gesteckt, an einem anderen konnte man Designer-Hocker bauen. Die partizipativen Projekte zerstreuten eher die Gedanken und erzeugten Ergebnisse auf Hobby-Niveau. Soll hier wirklich kreatives Crowd-Thinking betrieben werden oder eher eine Beschäftigungsmaßnahme und ein pseudo-offener Ansatz verfolgt werden, weil der in Zeiten von Web 2.0 so angesagt scheint?

Einen ähnlich Eindruck hinterließ auch das Makerlab auf der DMY. Ein Symbol als Logo (oder ein Logo als Symbol) für Menschenrechte:

Prinzipiell eine interessante Idee. Als Besucher wurde man dazu angehalten das Logo zu verändern, neue Gestaltungsräume zu entdecken und somit die Belastbarkeit der Wiedererkennung zu testen. Das Logo an sich ist allerdings unantastbar! Man fühlte sich dann doch eher als Milchkuh, deren Kreativ-Euter angezapft werden sollte. Denn wirkliches Mitdenken im Sinne von Kritik war nicht mehr gefragt, sondern nur ein spaßiger Umgang mit der Vorlage.

Mir scheint als könne die Brücke zu den dahinterliegenden Themenkomplexen trotz engagierter Beschäftigungsmaßnahmen und Handwerker-Bastel-Lager nicht gebaut werden. Da werden Räume und Foren geschaffen, in denen endlich jeder mitarbeiten kann, absolute Transparenz und Demokratie herrscht, aber dennoch sind die Projekte so angelegt, dass man eher als fleißiger Zuarbeiter und weniger als Mitarbeiter agiert. Die Teilnahme wird dadurch meiner Meinung nach zu trivial und verliert ihren Reiz… Vielleicht gibt es aber auch bessere Beispiele oder dieses Projektprinzip steckt noch in Kinderschuhen und muss erst wachsen, um sich zu verbessern. Die beiden letzten Erfahrungen haben aber leider Zweifel aufkommen lassen, ob organisierte Veränderung à la „selbst gemacht“ überhaupt möglich ist.

Anti-Touri-Tour

Oft zieht es Touristen zu den Sehenswürdigkeiten einer Stadt: alte Paläste, große Monumente und geschichtsträchtige Begegnungsstätten, mit denen sich eine Stadt schmückt. An ihnen wird die Besuchswürdigkeit und historische Relevanz der Stadt gemessen – und das Prädikat „sehenswürdig“ vergeben.

(c) by Michael S.

Ein Gedankenexperiment

Wie wäre es sich mal eine Stadt ohne Sehenswürdigkeiten anzusehen? Oder zumindest abseits dieser? Hier setzt die Idee der Anti-Touri-Tour an: Es werden nur Orte angesteuert, die unsehenswürdig sind. Auch die von ZDFkultur gestartete „Anti-Sightseeing-Tour“ will Städte ohne große Sehenswürdigkeiten sehenswert machen. Wie? Durch die kleinen, ungesehenen Aspekte, die eine Stadt lebenswert machen. Doch eine Anti-Touri-Tour könnte noch mehr erreichen, als nur wieder zur Aufwertung einer Stadt im klassischen Sinne beizutragen.

In Duisburg könnte die Anti-Touri-Tour vom Love-Parade-Tunnel, mit einer Besichtigung der genauen Unglücksstelle, über das Headquater der Bandidos hin zum italienischen Mafia Restaurant, bis nach Marxloh führen, dem „sozialen Ghetto“ Duisburgs.
Oder stellen wir uns vor nach Erfurt zu reisen, um dort die Route des Amokläufers nachzuvollziehen. Ausgestattet mit einem Leitfaden, folgen wir Markierungen auf dem Boden, die uns ein Gefühl für Raum und Zeit der Tat geben und somit auch für das Schrecken. Denken wir einen Schritt weiter. Wie wäre ein digitales Egoshoot-Spiel im realen Raum, in dem wir den Amokläufer selbst spielen, die Tat durchlaufen und sogar noch erfolgreicher aus dem Kampf herausgehen könnten. Makaber. Vielleicht.
Wieso konzentrieren wir uns immer nur auf jene Orte, die vorzeigbar sind? Wieso soll nicht auch mal eine Auseinandersetzung mit Problemen, dem Vergessenen oder Verdrängten und somit eine Konfliktverarbeitung stattfinden? Weil es unbequem ist. Vielleicht.

Die Stadt aus der Perspektive des Verdrängten

Schönheitsflecken, soziale Brennpunkten oder kriminelle Zentren bringen Schande über die Stadt, werden versteckt und sollen nicht das Image stören oder gar repräsentieren. Lediglich positiv besetzte Eigenschaften, wie Wissenschaftsstadt, Messestadt, Jugendstilstadt, etc. werden herausgekehrt. Nicht jedoch: kriminellste Stadt, lauteste Stadt oder Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote Deutschlands. Aber zeigt das hingegen nicht das eigentliche Gesicht der Stadt? Am Rand der Gesellschaft liegt doch das vermeintlich Authentische und somit die wahre Seele einer Stadt. Wenn Sehenswürdigkeiten immer nur das stilisierte und idealisierte einer Stadt vermitteln, dann würde das im gleichen Zuge doch auch bedeuten, dass genau dadurch gar kein authentisches Bild der Stadt gezeigt werden kann, durch eine Anti-Touri-Tour hingegen schon eher? [Was aber die Grundfrage danach aufwirft, wo sich das „Authentische“ auffinden lässt. Ob es nur durch Inszenierungen wie z.B. im Rahmen einer Tour zugänglich wird und ob es uninszenierte Authentizität überhaupt geben kann. Gerade wenn es um die Darstellung problematischer oder vergangener Orte geht, und diese visuell faktisch erscheinen wollen, müssen sie sich wiederum inszenieren und nehmen somit vielleicht wieder Strukturen einer Sehenswürdigkeit an.]

Als Tourist ist man immer einem inszenierten Dispositiv ausgesetzt. Einer vorzeigbaren bzw. vorgezeigten Stadt. Die ausgeschnittenen Elemente sind auf den ersten Blick unsichtbar und deshalb für den normalen Touristen nicht zugänglich. Weshalb sollte man die Stadt nicht mal invertiert, quasi als Bildnegativ betrachten? Die Anti-Touri-Tour soll genau das leisten: Städte von unten betrachten, aus der Perspektive des Verdängten.

Der Blick in die ausgestülpten Bereiche, fernab des Vorzeigbaren, verrät mehr über das wahre Bild einer Stadt, als jene Attraktionen, die ohnehin jeder zu Gesicht bekommt. Denn durch das Einnehmen einer anderen Perspektive wird der Ausdruck Parallelgesellschaft erfahrbar und die Unsichtbarkeit ausgegrenzter Personen im städtischen Gesamtbild wieder sichtbar. Das Theaterstück „Niemandsland“ des holländischen Regisseurs Dries Verhoeven verfolgte ebenfalls diese Idee: Niemandsland nahm den Besucher auf eine auditive Reise in Hannover, um ihm individuelle Schicksale und Geschichten von dort lebenden Migranten zu schildern. Ausgestattet mit Köpfhörern lief man durch bekannte Straßen und erhielt ungekannte Einsichten.

Etwas weniger makaber als eine Amok-Tour durch Erfurt, dafür leichter erträglich und deshalb schon praktiziert, sind die Zweite-Heimat-Touren in Neukölln bei denen Migranten ihre Sicht auf Berlin zeigen und den Besucher an verborgene oder alltägliche Orte führen, zu denen er sonst niemals durchdringen würde. Genau dort kann man die Stadt aus einer neuen Perspektive betrachten, den Schwierigkeiten der Integration von Türken näher kommen und für diese Problematiken sensibilisiert werden.

 

http://www.youtube.com/watch?v=ZV0Z7sUqpG0

Virtuelle Inklusion: Mitten am Rand

Ich muss sagen, ich bin beeindruckt. „Mitten am Rand“ ist ein von der Caritas betriebener Blog, in dem beschrieben wird, wie Sucht, Armut oder Haft das Leben bestimmt. AutorInnen und Autoren sind hier Betroffene und ihre Helferinnen und Helfer, d. h. hier schreibt der (Ex-)Junkie genauso wie eine Straßenzeitung-Verkäuferin, Betreuerin eines Häftlings und eine Ärztin für Obdachlose.


(Bildquelle: Screenshot von ‚Mitten am Rand‘)

Ist sowas mit (virtuelle) Inklusion gemeint? Respekt!

Interessant ist auf der Caritas-Seite auch die Umfrage „Wer soll Menschen in Not helfen?“. Hier die Ergebnisse (Stand: 13. März 2012):


(Bildquelle: Screenshot von ‚Mitten am Rand‘)

Eigentlich sollte ja, gemäß des Mottos der Nachhaltigkeitsguerilla, Veränderung selber gemacht werden. Zugegebener Maßen, ist manchmal auch etwas Hilfe von aussen …gar nicht so schlecht.



Kapitalismuskritik: Nichts hören, nichts sehen, nichts sagen

(Zuviel) Geld macht taub, blind und stumm.

Stadtmöbel statt Möbel und Untersuchung „Ohne Wohnung 11-12“

Es gibt Stadtmöbel, wie Bänke, Stühle, Tische und öffentliche Grillplätze. Für Jedermann – meint man. Stimmt aber nicht so ganz, wie Jasmin bereits im Beitrag Reclaim the streets anschaulich geschildert hat. Folgendes Foto treibt den Mangel an Verständnis vom „gutbürgerlichen Anwohner“ auf die Spitze:

Wer auf dieser Bank sitzen will, muss Münzen einwerfen, damit die Nägel auf der Sitzfläche runtergefahren werden… Ist eine Kunstinstallation, hilft aber zu verstehen, was Vertreibung vom öffentlichen Raum bedeutet.

Ein ganz anderes Modell des Stadtmöbels ist Studenten an der TU Berlin gelungen:

(Bildquelle: Pressestelle der TU)

Mit ein paar Handgriffen werden aus den Sichtschutzkästen in den Fensternischen der Umkleidekabinen (von Schulen und Sportvereinen) Betten für kalte Tage.

Doch wie geht (ging) es Wohnungslosen wirklich? Hierzu wurde eine Umfrage vom Armutsnetzwerk entwickelt. Der Zweck der Untersuchung „Ohne Wohnung 11-12.“ ist es, die Politik mit der Realität und den bestehenden Gesetze zu konfrontieren. Den Wohnungslosen soll eine Stimme im Prozess der Politikgestaltung geben werden. Es sollen Empfehlungen für die politische Gestaltung entwickelt werden. Die Ergebnisse der Untersuchung werden den Beteiligten auf europäischer Ebene präsentiert werden (EAPN, FEANTSA,…).

.: RECLAIM THE STREETS :.

Die Stadt ist kein öffentlicher Raum. Sie erscheint auf den ersten Blick zugänglich für alle. Die Stadt bietet vermeintliche Räume des Aufenthalts, wie Fußgängerzonen, Spielplätze oder Parkbänke, damit sich ihre Besucher zwischen den Geschäftszeiten kurz ausruhen, um dann gestärkt mit voller Kraft weiter konsumieren zu können. Doch nach 20h, da möchte die Stadt nicht, dass wir es uns gemütlich machen. Besonders schlimm ist das für Menschen, die nicht nach Hause können, die die Stadt ihr Zuhause nennen, welches ihnen Obdach bietet. Dann wird die Stadt hart und fährt ihre Krallen aus.

Verdrängung?

Die Stadt gehört jenen, die nur zu Besuch sind, nicht denen die tatsächlich darin wohnen. Hat man Geld, kann man es sich im Café gemütlich machen. Hat man nichts, um zu konsumieren, kann man in der Stadt nicht ruhen. Für diejenigen werden Schranken in Form von Konsumtempel errichtet und Orte der Verspannung geschaffen. Es mutet absurd an, wenn man sich beispielsweise diese Zäune gegen Obdachlose in Hamburg anschaut:

http://www.youtube.com/watch?v=_nu9NBcrhcI

Hindernisse werden errichtet, um Obdachlose fernzuhalten, um sie zu verdrängen. Die Frage „wohin“ oder dass es für sie kein „dorthin“ gibt, spielt keine Rolle. Die Künstler der Survival Group sammeln fotografische Belege des städtischen Krieges gegen seine Bewohner.

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Die Fotos können sich einer grotesk-komischen Wirkung nicht entziehen. Gezielte Abwehrhaltung als Gestaltungsmaxime legt diese Fotostrecke offen. Sie entlarvt die Waffen der Stadt und die Verdrängung aus dem vermeintlich öffentlichen Raum. Was ist das Ziel und wo liegen die Fronten, fragt man sich. Wer kämpft hier gegen wen? Die Stadt – als eigentlich freier Ort der Begegnung und des Austauschs – ist längst nicht frei. Verdrängung und Hast statt Rast scheinen die gestalterischen Leitlinien zu lauten…

Holt euch den Raum zurück, hackt und öffnet ihn.

Doch es gibt eine Antwort auf diese Bewegung. Reclaim the streets! Holt euch die Straße zurück, denn sie gehört euch. Die in den 90er Jahren in London gestartete Bewegung „Reclaim the streets“ trägt den Grundgedanke, sich den öffentlichen Raum zurückzuholen und wieder für alle Menschen und Individuen zugänglich zu machen – egal ob mit oder ohne Geld in der Tasche. Mit Sofas, Fernseher und Rollrasen sollten Autos von den Straßen in London verbannt und Straßen zum Vorgarten und Wohnzimmer der Passanten werden.

Nehmt euch was euch zusteht. So geschehen unter anderem in der Urban Hacking School, die den öffentlich Raum zurückerobert. Durch gezielte Eingriffe, werden vorhandene Elemente genutzt und zweckentfremdet. Es entsteht eine nicht-intendierte Nutzungsweise, die oftmals entgegengesetzt zur ursprünglichen Absicht steht. Der Raum erfährt eine Re-Humanisierung und schafft Inseln zum (zumindest kurzen) Verweilen, wie beispielsweise diese Bank aus Pflastersteinen:

Aber auch der Balkon von Vladimír Turner schafft einen Raum, der offen ist für seine urbanen Bewohner, anstatt sich ihrer zu verschließen.

Das Motto Rast statt unbequemer Hast verfolgen auch diese Ideen, bei der mit einfachen Mitteln Parkbänke zum Bett umfunktioniert wurden und somit zum längeren Verweilen oder sogar Übernachten einladen (Siehe Beitrag auf Nachhaltigkeitsguerilla).

Rastmöglichkeiten müssen jedoch nicht immer provisorisch und temporär sein. Sie können von Stadtentwicklern aufgegriffen und integriert werden, wie diese Schlecht-Wetter-Bank zeigt. Sie ist vielleicht ein Anfang, um unsere Städte wieder humaner und dennoch schön zu gestalten…?

Flohmarktstand mit nix und Hundemasken (NAK – Nationale Armutskonferenz 2011)

Heute und gestern fand in den Räumen der Stadtmission in der Lehrter Strasse in Berlin die Nationale Armutskonferenz 2011 statt. In der Hoffung meinen Fragebogen (vgl. Obdachlosen-Uni) unter die Leute zu bekommen, bin ich dann dort mal hingegangen.

Zu erleben gab es interessante Vorträge und schöne Arbeitsgruppen. Wie nicht anders zu erwarten, bin ich in der Arbeitsgruppe ‚Öffentlichkeitsarbeit für die Nationale Armutskonferenz‘ gelandet. Unsere Ideen sind demnächst unter www.sozin.de einzusehen.

Zwei sehr sympathische Ideen möchte ich an dieser Stelle kurz anreissen:

– Hundemasken:
Setzt Euch Hundemasken auf und fahrt somit schwarz mit den Öffentlichen (denn Hunde zahlen keine Tickets und fahren kostenlos). Was damit ausgesagt werden soll? Na, dass Obdachlose, Erwerbsarbeitslose und alle anderen Menschen mit Armutserfahrungen viel zu viel für die öffentlichen Verkehrsmittel zahlen müssen und dass es ihnen schlechter geht, als so manchen Hund, der kostenlos mitfahren darf. Unflexibler als ein Hund quasi… Ich möchte hiermit aber ausdrücklich niemanden dazu verleiten, dies wirklich zu tun. Ist nur so eine Idee, die natürlich NICHT zu empfehlen ist, da verboten, und was verboten ist, meine Dame/mein Herr, wird auch nicht gemacht!

– Flohmarkt mit nix
Mietet einen Flohmarktstand und verkauft nix, denn Ihr habt nix. Ich finde, dies ist eine eingängliche Idee, um den Leuten zu zeigen, wie es ist, nix zu haben. Man kommt bestimmt mit den einen oder anderen Flohmarktbesucher ins Gespräch.

Beide Idee könnten am 17. September umgesetzt werden (also übermorgen), denn dann ist Weltarmutstag.

Weitere Infos: www.nationale-armutskonferenz.de